Spannungen und Meinungsverschiedenheiten am Arbeitsplatz gehören leider oft zum Alltag. Doch ab wann spricht man eigentlich rechtlich von Mobbing – und wo verläuft die Grenze zwischen unangenehmer Zusammenarbeit und einem echten Fall von Bossing? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Wien vom 30.1.2025 (9 Ra 71/24p) zeigt klar auf: Nicht jeder Konflikt erfüllt automatisch die Kriterien für Mobbing.
Der Fall im Überblick
Eine engagierte und erfahrene Arbeitnehmerin war enttäuscht, dass sie nicht selbst die Leitung ihres Fachbereichs übernehmen durfte, sondern stattdessen eine neue, fachfremde Führungskraft eingesetzt wurde. Das Verhältnis zwischen den beiden war von Beginn an schwierig. Die Arbeitnehmerin fühlte sich häufig übergangen, etwa weil sie nicht rechtzeitig über ihre Ernennung zur Stellvertreterin informiert wurde oder weil es keine Übergabegespräche vor Urlaubsantritten gab. Außerdem kritisierte die Vorgesetzte kleinere Details in ihrer Arbeit – etwa einen Beistrich oder die Ausrichtung eines Grafikelements – und äußerte Kommentare wie „Du sprichst wie am Bau“.
Die Arbeitnehmerin empfand dieses Verhalten als gezielt gegen sie gerichtet und sprach von Mobbing bzw. Bossing.
Was sagt das Gericht?
Sowohl das Erstgericht als auch das OLG Wien kamen zu dem Schluss: Kein Mobbing. Zwar seien die Spannungen nachvollziehbar, doch fehle es an dem, was rechtlich wirklich zählt – nämlich einem systematischen, ausgrenzenden Verhalten über längere Zeit mit dem Ziel oder zumindest dem Effekt, die Betroffene aus dem Arbeitsverhältnis zu verdrängen.
Fehlende Informationen oder vergessene Übergaben seien laut Gericht keine bewussten Schikanen, sondern Einzelfälle – teils auch sachlich erklärbar, etwa weil die Vorgesetzte sich noch nicht sicher war, ob die Arbeitnehmerin tatsächlich ihre Stellvertreterin werden sollte. Auch kritische Rückmeldungen und ungeschickte Aussagen gelten nicht automatisch als Mobbing, solange sie nicht systematisch abwertend und ausgrenzend sind.
Was heißt das für die Praxis?
Das Urteil zeigt deutlich: Nicht jeder als unfair empfundene Umgang ist automatisch Mobbing. Es braucht mehr – nämlich ein länger andauerndes, zielgerichtetes oder zumindest regelmäßig abwertendes Verhalten, das objektiv geeignet ist, die betroffene Person aus dem Team oder dem Job zu drängen.
Für Arbeitnehmer:innen heißt das: Wer sich ungerecht behandelt fühlt, sollte das ansprechen, dokumentieren und – wenn nötig – arbeitsrechtliche Schritte prüfen. Für Arbeitgeber:innen ist wichtig, Konflikte früh zu erkennen, ernst zu nehmen und professionell zu begleiten – aber auch keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen, wenn der Begriff „Mobbing“ im Raum steht.